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Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Reportage

Teppiche vom Dorf

Von Ilka Märtens

Nur noch wenige Betriebe in Deutschland stellen handgewebte Wollteppiche her. Die Manufaktur Habbishaw im Norden Hessens ist eine davon. Das benötigte Garn wird selbst gesponnen.

Im hessischen Knüllgebirge, umgeben von bewaldeten Höhenzügen, liegt das Dörfchen Rückersfeld. Ein liebevoll restaurierter Bauernhof macht mit kräftigen Farben und einem großen Schaufenster auf sich aufmerksam: Hier werden Teppiche produziert, aus Wolle alter Landschafrassen und auf traditionelle Weise von Hand. Sie führen doch so manchen Besucher her.

Aus dem Nichts heraus

Teja Habbishaw betreibt die Manufaktur in der dritten Generation: Sein Großvater gründete anno 1946 den Betrieb, damals noch an einem anderen 
Standort. Der Betrieb wuchs und beschäftigte schließlich 35 Mitarbeiter. Damit war Habbishaw einer der größten Teppichhersteller bundesweit.

Dann brach die Branche ein, viele Betriebe wanderten ins Ausland ab, erzählt Teja Habbishaw. In den Siebzigern übernahm sein Vater Dietrich das Geschäft und zog auf den Hof im Knüllgebirge, wo die Familie auch heute noch lebt. „Mein Vater hat das eher kunsthandwerklich betrieben, er war in den Neunzigern viel auf kleinen Märkten unterwegs. Uns Kinder hat er in die Welt geschickt, weil er für den Betrieb wenig Zukunft gesehen hat.“ Und so hat sich auch Teja Habbishaw weltweit in anderen Berufsbereichen umgesehen, bis er sich doch für die Manufaktur in dem 25-Seelen-Ort entschied. „Mir hat immer etwas gefehlt, und hier lag mir so ein authentisches Produkt zu Füßen: ehrlich, traditionsbehaftet, aber modern.“

Teja Habbishaw entwickelte einen Onlinekonfigurator, mit dem die Kunden von zu Hause aus ihren Teppich selbst entwickeln können. Das verlieh dem Geschäft neuen Schwung.

Viele Interessenten kommen trotzdem noch vorbei, nicht zuletzt, um ein Gefühl für das Material zu bekommen. Mittlerweile ist man im Betrieb zu siebt, die dienstälteste Mitarbeiterin ist seit 38 Jahren mit dabei. 

Ballen, Flocken, Garn

Zunächst hat der Vater die Wolle eigener Schafe verarbeitet, doch diese konnte den Bedarf nicht lange decken. „Seitdem kaufen wir über Wollhändler gut vorbereitete, also gewaschene Wolle ein. Dadurch bekommen wir auch eine konstante Qualität“, erläutert der Juniorchef. Die Wolle 
stammt von Gotland-, Stein-, Rhön- oder Coburger Fuchsschafen, aktuell aus der Schweiz.

In 400 bis 500 Liter umfassenden Ballen gelangt sie in die Manufaktur und dort zunächst in einen Reißwolf: Eine Holzwalze mit Stahlzinken – „noch von Opa“ – bricht das gepresste Material zu lockeren Flocken auf, damit es in der halb automatischen Spinnmaschine zu fingerdickem Garn versponnen werden kann. Die Maschine verzwirnt mehrere Jutefäden zu einem Strang und lagert um diesen die Wollflocken an. Der Jutekern verleiht dem Wollgarn zusätzliche Stabilität.

Dann kommt das Walken: Dazu wird das lose aufgerollte, gesponnene Garn in einer ehemaligen Hotelwaschmaschine im Spülgang gefilzt und getrocknet. Das dazu nötige Wasser stammt aus dem hofeigenen Brunnen, der Strom von der Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Danach ist das Garn kompakter und fester. Neben den naturbelassenen Wolltönen der verschiedenen Schafarten stehen auch Farben zur Auswahl. Individuelle Farbtöne sind möglich, indem verschiedene gefärbte Garne beim Spinnen gemischt werden. Das Färben der Wolle übernimmt ein Familienbetrieb in Marburg. Auch diese Kooperation hat schon über die Generationen Bestand. 

In Handarbeit

Auf verschiedenen Webstühlen, je nach gewünschter Größe, werden die Teppiche gemäß der Kundenvorlage gewebt. Für einen Quadratmeter schlichte Fläche benötigen die Weberinnen etwa eine Stunde, Muster dauern länger. Die Grundlage bilden die sogenannten Kettfäden aus Leinen:

Für einen Teppich von drei Metern Breite werden 720 Fäden benötigt. Zwischen diesen wird das dicke Wollgarn von Hand stramm eingewebt. Schließlich werden die Kettfäden an ihren Enden verknotet, die Knoten vernäht und der gewebte Teppich so verriegelt. Aufgerollt und verpackt ist er bereit zum Versand oder zur Abholung, denn viele Kunden schätzen den persönlichen Kontakt zur Manufaktur. 

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