Zum Hauptinhalt wechseln

Bergisches Land

Winzig wohnen im Arbeiterhaus

Von Isa von Bismarck-Osten

Ilka Meyer-Stork und Immo Pupkes haben im Bergischen Land das alte Wohnhaus einer Bergarbeiterfamilie saniert. Vom Wochenend-Leben auf 38Quadratmetern Wohnfläche.

Wohnen auf kleinem Raum, das hat Ilka Meyer-Stork und Immo Pupkes schon immer gereizt. Sie kannten es von Reisen in ihrem zum Camper ausgebauten Mercedes Sprinter. Der Minimalismus gefiel ihnen - und das Leben in der Natur. Lange hatten die Kölner davon geträumt, ihren Camper dauerhaft auf eine alte Obstwiese oder in einen verwunschenen Garten zu stellen. Diesen Traum wollten sie sich 2014 erfüllen: Sie suchten nach einem Grundstück im Grünen, als Ausgleich zu ihrem Leben in der Stadt.

Im Frühjahr 2015 erhielten sie eine Nachricht aus dem Bergischen Land. Ilkas Arbeitskollegin hatte auf einem Spaziergang etwas entdeckt: „Ein idyllisches Grundstück mit einem ziemlich verfallenen Häuschen drauf.“ Zwei Wochen später fuhren sie nach Bergisch Gladbach. Im Stadtteil Bärbroich, auf einer bewaldeten Anhöhe, fanden sie das 500 Quadratmeter große Grundstück mit dem kleinen Fachwerkhaus.

Der Garten, so verwildert er war, gefiel den beiden. Genauso wie die bergige Landschaft drum herum. Nebenan liefen Hühner und Schafe auf den Wiesen – zur Freude ihrer Kinder Laurids und Julika. Als sie bei einem nächsten Besichtigungstermin das Haus betraten, waren sie erstaunt, wie dort bis vor Kurzem noch jemand gewohnt haben konnte. Die Außenwände hatten bereits begonnen, einen Bauch zu bilden. Innen roch es nach feuchter Erde, Wand- und Deckenputz waren abgebröckelt, die Holzmöbel aufgequollen.

„Das kann man nur noch abreißen“, war der 47-jährige IT-Einkäufer überzeugt. „Da könnte man bestimmt etwas sehr Schönes draus machen“, fand indes die Restauratorin für Gemälde und Skulpturen. Durch ihre Arbeit war Ilka Meyer-Stork es gewöhnt, unter starken Altersspuren und -schäden die erhaltenswerte Substanz zu erkennen.

"Ernst, aber nicht hoffnungslos"

Das Paar holte sich Rat bei einem Solinger Bauingenieur, der auf die Sanierung von Fachwerk spezialisiert ist. Den Zustand des Hauses beschrieb er als „ernst, aber nicht hoffnungslos“. Er half dem Paar, die Kosten für eine Sanierung einzuschätzen, zu klären, welche Arbeiten sie selbst ausführen konnten und mit welchem Zeitaufwand sie rechnen mussten. Nach dem Gespräch erschien auch Immo Pupkes das Projekt machbar und lohnend. „Wir hatten das Gefühl, dass das unsere einmalige Chance auf ein idyllisches Minihaus im Grünen wäre, nur 35 Minuten von unserer Kölner Wohnung entfernt und sogar noch mit Busanbindung“, erinnert sich Ilka Meyer-Stork an ihre Aufbruchstimmung.

Da das Haus stark beschädigt war und im Landschaftsschutzgebiet liegt, wollten die Kölner vor dem Kauf sicher gehen, dass es Bestandsschutz hat. So ließ das Paar das Haus zunächst notdürftig abstützen. Zudem wurde geprüft, ob es möglich war, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen.

Ilka ermittelte eine Flurkarte von 1889, auf der das Haus bereits verzeichnet war und sie fand heraus, dass es sich um das alte Wohnhaus einer Bergarbeiterfamilie handelte. Dieses war zwischen 1880 und 1889 in unmittelbarer Nähe zu der Erzgrube Berzelius errichtet worden. Sie begriff, dass das Haus eines der letzten erhaltenen Bergarbeiterhäuser im Bergbaugebiet Bergisch Gladbach war. „Wir beschlossen, einen Antrag auf Denkmalschutz zu stellen, sobald der Kaufvertrag unterschrieben war“, erinnert sich Ilka. Gesagt getan: Im September 2015 unterschrieben sie den Kaufvertrag von 13.500 Euro für Haus und Garten. Im Juni 2016 erfolgte der Eintrag in die Denkmalliste.

An die Grenzen

Dem Paar war klar, dass das Haus nur finanzierbar war, wenn kräftig mitgearbeitet wurde. Ein Berater hatte für die professionellen Gewerke sowie Beratung, Bauaufsicht und Material Kosten in Höhe von 100.000 Euro veranschlagt. Der Rest musste in Eigenleistung eingebracht werden.

Immo Pupkes, der sich für Holzarbeiten begeistert und als Schüler in einer Schreinerei gearbeitet hatte, baute zunächst aus und arbeitete auf, was seiner Frau erhaltenswürdig schien: Treppe, Türen, Zargen und nahezu alle Dielen aus dem Obergeschoss. Unter Anleitung des Fachwerkberaters lernte das Paar, Gefache mit Lehmziegeln und -mörtel aufzumauern, den Fußboden, die Wände und das Dach zu dämmen. Immo Pupkes verlegte im Untergeschoss Eichen-, bzw. Lärchendielen. Im Obergeschoss ergänzte er den historischen Boden mit wenigen neuen Fichtendielen.

Mit den kleinen Kindern und den Berufen war die Grundbelastung bereits hoch. Aber die Vision von dem, was einmal aus dem Haus und dem Grundstück werden konnte, motivierte das Paar, immer wieder ein Stück weiterzubauen. Ilka Meyer-Stork strich die Fachwerkbalken mit Leinöl und die mit Lehm verputzten Innenwände mit Lehmfarbe. Ihr Mann verschalte die Wetterseite des Hauses mit Lärchenbrettern und baute die Klappläden für die Fenster.

Zuletzt nahm er sich die Innenausbauten vor: Er baute eine Sitzbank mit viel Staufläche für die Stube, nutzte leere Gefache für Küchenregale um und zimmerte für das Elternschlafzimmer das Bett. „Oft gingen wir an unsere Grenzen und darüber hinaus“, sagt Ilka Meyer-Stork rückblickend.

Wochenendhaus

Es war in den Herbstferien 2018 als sie die erste Nacht in ihrem Häuschen schliefen. Laurids war damals acht und Julika fünf Jahre alt. „Sie fühlten sich wie die Hobbits im Auenland“, erinnert sich Ilka an die Begeisterung ihrer Kinder. Seither fährt die Familie so oft wie möglich an den Wochenenden nach Bärbroich. Dann genießen sie das Aufwachen im Grünen, den ersten Kaffee oder Kakao auf der Gartenbank und vor allem die Ruhe und Beschaulichkeit des Ortes.

Gleich morgens zünden sie den Ofen an, der schon dem alten Ferdi – so wurde ihr Vorbesitzer von den Nachbarn genannt – das Haus gewärmt hatte. Im Winter braten sie darin Bratäpfel, spielen und lesen noch lange bei behaglicher Ofenwärme. „Vor allem Genießen“, sagt Ilka Meyer-Stork. Das ist das Einzige, das für ihr Bergarbeiterhäuschen noch auf der To do-Liste steht.

Weitere interessante Inhalte