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Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Reportage

Kleines Paradies im Weinberg

Von Micaela Buchholz

Ohne Markus Feucht als Pächter wäre das als "Schlössle" bekannte Bauwerk in Nordheim verschwunden. Feucht hat es möglichst denkmalgerecht instand gesetzt. Mittlerweile kümmert er sich auch um die Rebfläche.

Nur wenige Schritte vom Wohnhaus von Grit Pohling und Markus Feucht entfernt findet sich ein kleines Paradies. In dem schwäbischen Örtchen in der Nähe von Heilbronn nennen es alle „das Schlössle“. Vom Feldweg oberhalb des Neckartals lässt es sich kaum erahnen. Erst ein paar Meter den terrassierten Weinberg hinunter, taucht unter Ranken wilden Weins eine Miniatur-Villa aus Sandstein auf. In der sommerlichen Hitze duftet es nach Lavendel und Kräutern. Das Weinblätterdach einer Pergola schützt auf einer Terrasse vor zu viel Sonnenstrahlen.

Eine wohlhabende Familie ließ das dreigeschossige Sommerhäuschen 1860 anstelle einer der üblichen Weinberghütten in dem Steilhang errichten. So ein Repräsentationsbau samt Salon mitten im Grünen galt damals als schick. Von der Loggia aus bestaunte man mit Gästen das neueste Technikwunder jener Zeit: Die Eisenbahn, die am Fuße des Weinbergs zischend und ratternd vorbeifuhr.

In letzter Minute

Bis heute hält dort unten die Regionalbahn. Auf der Fahrt Richtung Stuttgart hat man einen schönen Blick auf das Haus im Weinberg. Im Laufe seiner Geschichte geriet es jedoch zeitweise ein wenig aus der Spur. Nach dem Krieg machte es sich zunächst als Notunterkunft nützlich. Bis in die 70er Jahre bewohnte eine Familie das Gebäude. Später stand es leer, war heimlicher Treffpunkt und Schlafplatz. Nach einem Dachstuhlbrand wollte die Gemeinde es 2005 abreißen lassen. Der Denkmalschutz war erloschen. Markus Feucht erfuhr davon und konnte den Gemeinderat in letzter Minute von dem Plan abbringen.

„Ich hatte schon als Jugendlicher Freude an historischen Gebäuden“, sagt der 55-Jährige, der auf einem Bauernhof in der Nähe von Schwäbisch Hall aufgewachsen ist. Der Kunst- und Werklehrer war überzeugt, dem Schlössle wieder zu altem Glanz verhelfen zu können. Die Kosten übernahm er selbst. Die Gemeinde gab ihm fünf Jahre Zeit, zu beweisen, ob ihm sein Vorhaben gelingen kann.

Mit Fleiß, Mut und Glück

Das weckte erst recht seinen Ehrgeiz. „Ich wälzte alte Bücher, weil ich das Haus möglichst denkmalgerecht instand setzen wollte“, sagt er rückblickend. Sein handwerkliches Geschick als Werklehrer und die Erfahrungen beim Umbau seines eigenen Hauses aus den 1930er-Jahren, erleichterten es ihm, sich alte Techniken anzueignen.

Die Zimmermanns- und Steinarbeiten erledigte er in Eigenregie. Er reparierte auch die Stuckdecke im Salon, drechselte Ornamente der Dachpfetten oder schmiedete Verzierungen des Balkongeländers nach. Bei Baustoffhändlern in Freiburg und im angrenzenden Elsass stöberte er nach passenden Fenstern, die dem Haus mit der Zeit abhandengekommen waren. Zum Fleiß des Mutigen gesellte sich manchmal auch das Glück: „Auf einem Alteisenhaufen am Bahndamm habe ich das alte Gartentürchen mit den Blumenranken wiederentdeckt.“

Kleiner Kultur-Tempel

Seine Familie und befreundete Handwerker packten mit an. Schon bald wurde Schritt für Schritt die Wiederauferstehung des Weinberghauses erkennbar. Im Jahr 2011 war das Werk vollendet. Markus Feucht hatte schon längst überzeugt und durfte den ehemaligen Abrisskandidaten langfristig mieten. „Wir nutzen die Räume für Feiern, als Kreativ-Ort zum Malen und Bildhauen oder Übernachtungsmöglichkeit für Freunde und unsere Kinder“, sagt Grit Pohling. Es gibt eine Küche, eine Schlafgelegenheit und ein Bad.

Seit der Salon, die Weinbergterrasse und die Loggia wieder einladend sind, öffnet das Häuschen gelegentlich auch fürs Publikum. Etwa zum Tag des offenen Denkmals, für Bildhauerkurse, Ausstellungen, Konzerte und Weinproben. Auch ein halbrunder Raum mit hoher gewölbter Decke im Erdgeschoss bietet dafür eine schöne Kulisse. Er erinnert an die Apsis einer Kirche. Sakrale Architekturelemente kamen im Historismus, eine Stilrichtung des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, in Mode.

Weinverkostungen

Inzwischen pflegt Markus Feucht auch die alten Weinstöcke rund um das Schlössle. Es sind heimische Rebsorten, Lemberger und Trollinger, die auf den terrassierten Muschelkalkböden wachsen. Die 34 Ar (34 00 m2) große Fläche gehört der Gemeinde. Im Tausch erhält das Rathaus ein Kontingent jedes Jahrgangs. Die Trauben werden von Hand gelesen. Anders geht es nicht in den Steillagen am Neckar. Deswegen geben immer mehr Weinbauern Hänge mit über 30 Grad Steigung auf. „Für mich sind die Terrassen ein landschaftsprägendes und bewahrenswertes Kulturgut“, begründet der Rebenretter sein Engagement für die Steillagen.

Nach der Ernte wählt er die Trauben sorgsam aus. Verarbeitet werden die Früchte von ihm ein paar 100 Meter weiter in seinem Haus. Dort im Gewölbekeller findet die traditionelle Maischegärung statt. Während dieser Zeit überwacht ein Kellermeister der Weingärtnergenossenschaft Heuchelberg anhand täglicher Proben den Prozess. Danach wird der Wein in Eichenholz- und Barrique-Fässern gelagert. „Das Weinmachen habe ich vor langer Zeit von meinem Onkel gelernt. Danach baute ich einige Jahre einen Hauswein für die Familie aus“, sagt Markus Feucht. Zeit für ein Glas.

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