Zum Hauptinhalt wechseln

Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Baustoff

Bauen mit historischen Baustoffen

Micaela Bucholz

Florian Langenbeck und Verena Kohlbrenner versorgen Liebhaber alter Häuser mit historischen Baustoffen und Reproduktionen.

Ein junger Mann steckt kurz den Kopf durch die Tür: „Wissen Sie, wo ich 15 Quadratmeter gebrauchtes Blaustein-Kopfsteinpflaster bekomme?“ Florian Langenbeck fällt sofort ein Kollege ein, der weiterhelfen kann: „Juhnke in Müllheim“. Der Kopf dankt und verschwindet aus dem Türspalt zum Ausstellungsraum von „Replicata“. Dort sitzen Florian Langenbeck und seine Partnerin Verena Kohlbrenner an einem nostalgischen Gartentisch. Er ist neu, genauso wie die Türklinken, Fliesen, Waschbecken, Badewannen in dem Raum. Alle sind nach historischen Vorbildern entstanden. „Replicata“ ist die Tochterfirma der beiden. Sie hat sich neben dem Handel mit Jahrhunderte alten Baustoffen entwickelt. Bereits seit 1988 verkauft Florian Langenbeck in Freiburg im Breisgau geschichtsträchtige Türen, Türschlösser, Türdrücker, aber auch Fenster, Treppen, Geländer, Säulen, Wasch- und Spülbecken – einfach alles, was sich an Handwerkskunst aus Abbruchhäusern retten lässt.

Begehrte Raritäten

Inzwischen konzentriert er sich vor allem auf seine Händler-Kontakte in ganz Europa. Mehrmals im Jahr unternimmt er allein oder mit seinen Mitarbeitern Einkaufstouren nach Frankreich, Italien oder Belgien. Viele ihrer Funde haben Seltenheitswert. Dabei könnten sie einige gleich mehrfach verkaufen, weil die Stücke so begehrt sind. Das brachte die beiden schon vor langer Zeit auf die Idee, besonders beliebte Raritäten in der gleichen Qualität und Optik neu herstellen zu lassen. So wie den ovalen schmiedeeisernen Gartentisch mit den geschwungenen Beinen, an dem das Paar sitzt. „Die Tischplatte aus Eisenblech wird von Hand um das Oval gebogen. Gebördelt nennt sich das. Deshalb ist die Kante leicht unregelmäßig. So wie früher“, erklärt Verena Kohlbrenner. Die ehemalige Heilpädagogin leitet das vor gut 20 Jahren gegründete Tochterunternehmen. Dass es diesen Tisch erneut gibt, ist eine von vielen Wiederbelebungen, die ihr und den sieben Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gelungen sind. Inzwischen arbeiten sie mit 120 Herstellern zusammen.

Auch neu von schwerer Qualität

Den Anfang machten fehlende Rosetten oder Türschilder an historischen Türdrückern, die sie mühselig mit Originalteilen zu komplettieren versuchten. „Wir suchten immer lange danach, ob sich das fehlende Stück vielleicht bei einem anderen Händler für historische Baustoffe auftreiben ließ. Wenn sich ein passendes Ersatzteil fand, war es sehr teuer“, beschreibt Verena Kohlbrenner die Ausgangslage. Manches war selbst als Neuware nicht zu finden. Also spürte Florian Langenbeck Handwerker auf, die alte Techniken beherrschten, um nach Bedarf von ihnen Ersatzteile anfertigen zu lassen. „Wir haben eigene Modelle für Türdrücker, die wir in Europa in besonders schwerer Qualität nachgießen lassen“, erzählt Verena Kohlbrenner. Auch Fensterund Türgläser in Musselinoptik oder mit ins Glas gepressten Dekoren, sortiert nach Epochen, sind nun wieder lieferbar – selbst als zwei- bis dreifaches Isolierglas. Seit der Betrieb vor fünf Jahren auf ein neues Gelände im Industriegebiet in Freiburg-Lehen umgezogen ist, hat „Replicata“ einen eigenen Firmensitz mit Ausstellungsraum, direkt neben der Halle mit dem historischen Baustofflager. „Auf diese Weise lässt sich Altes und Neues sauber auseinanderhalten.“

Der Vorher-Nachher Effekt

Reparaturen mit Ersatzteilen, ob original oder neu gefertigt, machen es überhaupt erst möglich, historischen Haus- und Zimmertüren ihr ursprüngliches Gesicht wiederzugeben. „In Freiburg sind unzählige Häuser mit unseren Türen ausgestattet“, sagt Florian Langenbeck nicht ohne Stolz. Dafür arbeitet er mit einer Partnerfirma zusammen, die darauf spezialisiert ist, die historische Tür aufzuarbeiten und an die Öffnung anzupassen. Wie gut das einem Hauseingang tut, zeigt eine Vorher-Nachher-Bildergalerie auf der Webseite des Baustoffhändlers (historische- tueren.de). Besonders eindrucksvoll ist das Ergebnis, wenn vorher eine Drahtglastür mit Metallrahmen eingebaut war. Die Vorliebe für Türen von Florian Langenbeck hat neben der Ästhetik auch praktische Gründe: Sie lassen sich gut transportieren und benötigen nicht so viel Lagerplatz. So kommt er auf Hunderte Exemplare. Auffallend ist, wie individuell und kunstfertig Schreiner Türen einst bauten. Damals erfüllten sie oft repräsentative Zwecke. Angefangen von der Form, über die Aufteilung bis hin zur Ornamentik.

Schatzkammer zum Stöbern

Wer durch die 400 Quadratmeter große Lagerhalle streift, befindet sich in einer prall gefüllten Schatzkammer, die zum Stöbern einlädt. Etwa das Sammelsurium aus Schlössern und Türklinken aus Gusseisen oder stumpf gewordenem Messing. An einer der Wände hängen Musterkästen mit handgemachten Stoffblumen, die Florian Langenbeck mal aus einer Auflösung mitgenommen hat, einfach, weil sie ihm gefallen haben. Auch der eiserne Pumpenschwengel mit einem Wasserhahn in Form eines Rehkopfes war ihm sympathisch und er holte ihn in seine Verkaufsund Lagerhalle. Manches Stück wartet dort lange auf einen Käufer, aber irgendwann kommt der Richtige. Auch für den Pumpenschwengel. „Eine Kundin hat ihn auf unserer Webseite entdeckt und per Mail als Geschenk für ihren Mann bestellt, einen Jäger“, erzählt der Händler. UNIKATE AUS ALTEN BAUSTOFFEN Direkt neben dem Pumpschwengel steht ein kompaktes ovales Dachfenster. Bauteile wie dieses sieht man in Frankreich häufig an historischen Stadthäusern. Mit einem Spiegel in der Fensteröffnung könnte die kunstvolle Spenglerarbeit im Bad einen einzigartigen Spiegel abgeben. Nur ein paar Schritte weiter kommt man an einem Esstisch aus alten Balken vorbei. Als Tischfläche dient ein Restposten historischer Fliesen. Mit guten Ideen lassen sich aus gebrauchten Baustoffen Unikate aller Art herstellen. Längst interessieren sich nicht nur Altbauliebhaber für das Angebot. Florian Langenbeck beobachtet, dass historisches Flair auch für Neubauten gefragt ist. Vor allem, wenn es sich um Häuser handelt, die sich am traditionellen Baustil einer Region orientieren. Die Kunden kommen aus ganz Deutschland, viele auch aus der Schweiz.

Leidenschaftlciher Sammler

Wenn er zurückblickt, sieht sich der 62-Jährige schon immer als Jäger und Sammler: „Zuerst in der Natur mit Steinen, Muscheln, Pilzen. Als Jugendlicher war ich auf Flohmärkten unterwegs und konnte an keinem Baucontainer vorbeigehen“. Nach der Schule fing er direkt bei einem Möbelrestaurator an und entwickelte sich schnell zum Holzspezialisten. „Dort habe ich gelernt, aus Dingen etwas zu machen, auch wenn sie noch so schlimm aussehen. Alte Farbschichten gekonnt zu entfernen, entlacken und zu polieren“.

Alte Warenlager retten

Gleichzeitig fand er immer mehr Gefallen daran, die Spuren der Zeit auf unterschiedlichsten Oberflächen zu erhalten. Ob auf Blechtischen oder Eisentoren, selbst an Natursteintrögen, die bei ihm auf dem Hof lagern, liebt er Patina und Unregelmäßigkeiten. Je nach Größe und Format werden sie wie früher als Spülbecken eingebaut oder als dekorative Brunnen vor dem Haus oder im Garten verwendet. „Manchmal machen wir auch Kellerbesuche oder gehen zu Auflösungen alter Handwerksbetriebe“, sagt der Schatzsucher. So kommt es, dass er ganze Kartons original verpackter Dresdner-Fensterreiber hortet. Sie halten Flügel alter Holzfenster geschlossen. Aber auch bei fabrikneuen Türstoppern von früher oder Türklinken aus der Nachkriegszeit sagt er nicht nein. Diese Kleinteile rund um Türen und Fenster sind seine jüngste Passion. Jedes Teil, jede noch so kleine Unterlegscheibe kann einzeln bestellt werden. „Wenn ich oder einer meiner Kollegen solche alten Warenlager nicht übernehmen, landet womöglich alles in der Schrottpresse“, ist seine Sorge.

Recycling von Baustoffen

Dabei wird Baustoff-Recycling immer wichtiger, um Ressourcen zu schonen. Fast alles lässt sich wiederverwenden und anpassen. Sei es eine Sandsteintreppe, Wendeltreppen, gusseiserne Säulen, ein Treppengeländer oder Fliesen. Gerade die jüngere Generation wüsste das zu schätzen. Der junge Mann, der vorher den Kopf durch die Tür gesteckt hat, war eigentlich gekommen, um eine alte Haustür abzuholen, die er am Wochenende zuvor bei Langenbecks jährlich stattfindendem Schnäppchenmarkt gekauft hat. „Inzwischen kommen schon die Kinder und Enkel unserer Kunden zu uns“, sagt der 62-Jährige.

Weitere interessante Inhalte