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Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Herkunftssuche

Gute Schwingungen

Von Ilka Märtens

Unter den Möbelstücken ist der Schaukelstuhl ein Sympathieträger. Besonders alte Stücke erfahren viel Wertschätzung. Mit ihnen schwingen Geschichten mit. Redakteurin Ilka Märtens begibt sich auf Spurensuche.

Der Schaukelstuhl stand bei uns zu Hause, solange ich mich erinnern kann. Wir zogen um, und der Schaukelstuhl zog mit. Irgendwann tauschten ihn meine Eltern gegen ein neueres Modell aus – und der alte landete im Keller.

Passt genau

In meinen Zwanzigern fiel mir der Schaukelstuhl meiner Kindheit wieder ins Auge: Ein wirklich schönes Stück, dachte ich, viel zu schade für den Keller. Die filigrane Stabkonstruktion erinnerte mich an Windsorstühle. Sie lässt den Stuhl luftig wirken, wozu auch das nur halbhohe Polster der Rückenlehne beiträgt. Der Stuhl erschien wie für mich gemacht: Die Sitzfläche ist breit genug, dass ich beim Lesen gemütlich die Beine hochziehen kann. Die Armlehnen reichen genau von meinem Ellenbogen bis zu meiner Handfläche. Die Kufen wurden nicht etwa verleimt, sondern sind aus gebogenem Holz gefertigt, und schaukeln sehr angenehm. Mit der Zeit war die Bespannung, ursprünglich aus Jute, porös geworden und musste durch neue Gurte ersetzt werden. Eine Raumausstatterin fertigte mir außerdem nach Vorlage der alten Polster neue an. Ein Stoff in schlichtem, kühlem Hellgrau sollte es sein, als Kontrast zum warmen Holzton.

Hilfreiches Schildchen

Doch wo kam der Schaukelstuhl her, in den ich mich gerade neu verguckt hatte? Meine Eltern haben ihn in den Siebzigerjahren in einem Einrichtungshaus für skandinavische Möbel gekauft, so viel wussten sie noch. Dieses Möbelhaus gab es schon nicht mehr, als ich den Stuhl übernahm. Auf einem Bauteil unter dem Sitz konnte ich ein Etikett erkennen: „Bramin. Made in Denmark“ ist dort zu lesen. Es stellte sich heraus, dass es auch der Möbelhersteller nicht bis in die Gegenwart geschafft hat. Bei Händlern für Vintagemöbeln findet man noch Stücke des Herstellers, auch dieser Schaukelstuhl ist gelegentlich dabei. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt ihn gar im Wohnzimmer von Frank Sinatra. Schließlich wurde ich auf eine Ausstellung im Regionalmuseum Bramming an der Westküste Jütlands aufmerksam, die sich vor einigen Jahren mit der lokalen Möbelindustrie befasst hatte. Die Gegend war einst ein wichtiges Zentrum des Möbelbaus mit zeitweise fast 30 Herstellern. Auf dem Bildmaterial der Lokalpresse konnte ich auch den Schaukelstuhl entdecken. Ich schrieb also das Museum an und erhielt schnell eine freundliche Antwort: Viel wisse man über dieses Stück nicht, aber es gebe eine Broschüre des Herstellers, die auch zwei Abbildungen des Schaukelstuhls beinhalte, Fotos der interessanten Seiten anbei.

Soweit bekannt

Die Firma Bramin hieß ursprünglich N. A. Jørgensens Møbelfabrik, wurde 1911 gegründet und war in Bramming ansässig. Erst ab Ende der Fünfzigerjahre führte sie den Namen Bramin. Unter dieser Marke stellte sie unter anderem hochwertige Sitzmöbel her, deren Stil man heute als Mid Century bezeichnen würde, und arbeitete dafür mit verschiedenen renommierten Designern zusammen. Das Logo, wie es auch das Etikett unter der Sitzfläche ziert, soll ab Mitte der Sechziger gebraucht worden sein. Mein Schaukelstuhl heißt offiziell „Nr. 182“ und wurde ca. 1958 vom norwegischen Designer Frank Reenskaug entworfen – mein Exemplar müsste, dem Etikett zufolge, also später hergestellt worden sein. Von dem Modell versprach man sich insbesondere Erfolge durch den Export in die USA.

Offene Fragen

Über Frank Reenskaug, den Designer, ist praktisch nichts bekannt. Außerdem sind wir immer davon ausgegangen, dass der Stuhl aus Teakholz gefertigt wurde. Den dafür eher untypischen Rotstich haben wir uns durch eine zwischenzeitliche Neulackierung erklärt. Bramin hat allerdings auch ähnlich anmutendes Afrormosia-Holz verarbeitet, das umgangssprachlich auch als „Afrikanisches Teak“ bezeichnet wird. Letztlich kommt es aber auch nicht darauf an. Mein Schaukelstuhl hat eine Geschichte. Dann darf er auch das eine oder andere Geheimnis behalten.

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