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Ein Beitrag aus der

Landlust Zuhaus

Wissenswertes

Die Wiederentdeckung des Schiebefensters

Von Micaela Buchholz

Kein störender Flügel im Raum, mehr Platz am Fenster: Das waren schon immer die Stärken von Hebefenstern. Doch nie hielten sie so warm wie heute. Eine Wiederentdeckung.

In einigen ostfriesischen Dörfern und Städtchen sieht man sie noch: Vertikalschiebefenster wie man sie aus Großstädten wie London oder New York kennt. Sie zählen bis heute in manchen deutschen Landstrichen zum traditionellen Baustil. Das Vertikalschiebefenster besteht in der Regel aus einem Ober- und einem Unterflügel. Je nach Bauweise sind beide Elemente oder nur der untere beweglich. Einige Fensterbauer und Handwerksbetriebe haben sich auf dieses Liebhaberfenster spezialisiert und fertigen es aus Kiefer, Lärche, teilweise aus Eiche oder Accoya, einem Weichholz (z.B. Kiefer), das durch eine spezielle Behandlung so robust wie Hartholz wird.

Ein hochgeschobener Flügel nimmt im Gegensatz zu einem Drehflügel keinen Platz im Raum weg. Dadurch lässt sich der Fensterbereich besser nutzen, etwa um die Küchenspüle dort zu platzieren. Auch eine Hängeleuchte am Fenster ist kein Problem. All das macht diesen Fenstertyp selbst für kleine Zimmer interessant. Beim Öffnen muss nicht erst die Fensterbank freigeräumt werden, und bei Wind schlägt das Fenster nicht zu. Die Konstruktion gilt als sturmsicher. Was erklärt, weshalb dieser Fenstertyp in einigen Küstengebieten wie Ostfriesland im 18. und 19.Jahrhundert häufig verwendet wurde. Aber auch in Krefeld, im Bergischen Land oder in Sachsen ließen zu jener Zeit weit gereiste Kaufleute Schiebefenster in ihre Häuser einbauen.

Vor allem beim Blick ins Grüne spielt das Hebefenster seine Qualitäten aus: Es schafft einen fließenden Übergang zwischen drinnen und draußen. Weshalb es beim Bau mancher Villa in der Gründerzeit als Erkerfenster und für die Loggia beliebt war, oft verziert mit Sprossen. Auch heute sind die Fenster mit glasteilenden oder aufgesetzten Sprossen sowie Schmuckprofilen zu haben.

Besser als früher

In Baufachbüchern um 1900 wurde bemängelt, dass Schiebefenster sehr zugig und nicht reibungslos zu bedienen seien. Ein Ruf, der sich zu Unrecht bis heute hält. Neue Vertikalschiebefenster aus Holz stehen auch in traditioneller Optik modernen Dreh-Kipp-Fenstern in nichts nach. Sie sind je nach Bauweise komplett dicht und erfüllen hohe Ansprüche an den Wärmeschutz. Mit Dreifachverglasung und im Querschnitt von 78 Millimeter Stärke erreichen zum Beispiel Schiebefenster des Herstellers Sorpetaler Werte, die sie im Rahmen eines KfW-Kredits für energieeffizientes Sanieren förderfähig machen. Die Zweifachverglasung hat dagegen den Vorteil, dass sie weniger kostet und sich Nachbauten historischer Fenster exakter nachbilden lassen, weil schmalere Profile möglich sind. Der Unterhalt eines Schiebefensters ist etwas aufwendiger als sonst: Die Mechanik und die Dichtungen werden durch die Hebe- und Schließvorgänge mehr belastet. 
 

Durch die Mehrfachverglasung sind Schiebefenster heute schwerer. Das stellt die Hebetechnik vor besondere Herausforderungen. Mit der vier Millimeter dünnen Einfachverglasung haben historische Fenster im Querschnitt nur rund 40 Millimeter Stärke, während heute 68, 78 oder sogar 90 Millimeter erreicht werden. Traditionell sind es Umlenkrollen mit Gegengewichten an Seilen, die sich versteckt in den Seitenrahmen beim Hochschieben senken. „Der vor über 300 Jahren entwickelte Mechanismus bildet die Grundlage für heutige Anwendungen“, sagt Daniel Westenberger. Er hat an der Technischen Universität München eine Dissertation über Schiebefenster geschrieben, die im Internet frei abrufbar ist. Fast jeder Hersteller hat das Schiebesystem für sich optimiert. Inzwischen sind auch Druckfedern im Einsatz oder gekoppelte Fensterflügel: Wird der untere Teil hochgeschoben, senkt sich der obere als Gegengewicht.

In der Regel lassen sich moderne Schiebefenster dank einer entsprechenden Halterung so kippen, dass auch die Außenscheiben recht gut zu reinigen sind. Es geht aber noch komfortabler, was sich für Fenster in höheren Etagen empfiehlt: Das obere Element kann als einflügeliges oder zweiflügeliges Drehfenster ausgeführt werden. Einmal jährlich sollten wie bei jedem Fenster alle Beschlagteile gewartet werden. Ab 5000 Hüben kann ein Austausch der Mechanik notwendig sein. Das dauert vermutlich ein paar Jahre. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Info

In jedem Geschoss bzw. jeder Wohneinheit pro Geschoss muss es ein Fenster oder eine Balkontür mit Dreh- oder Drehkippflügel (Mindestmaß 0,90 m x 1,20 m) geben, die als Notausstieg auch mit Leitern der Feuerwehr erreichbar sein muss. Schiebefenster sind als solche Notausstiege gemäß den Bestimmungen der Landesbauordnungen nicht zulässig. Dies sollte beim Umbau mit der zuständigen Bauaufsichtsbehörde oder Brandschutzdienststelle abgestimmt werden.

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