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Reportage

Tafelfreude aus Ton

Von Micaela Buchholz

Uta Minnich und Judith Radl teilen die Leidenschaft fürs Töpfern. Vom Stil her völlig verschieden, vertragen sich ihre Keramikarbeiten bunt gemischt auf dem Tisch bestens miteinander.

Aus Gluthitze Neues zu erschaffen, hat in der Bendorfer Concordiastraße Tradition. Schon lange bevor Uta Minnich und Judith Radl mit ihren Keramik-Brennöfen hier einzogen, wurden am Ende der Straße in einer Eisengießerei Erze geschmolzen und Gussformen für Maschinen gefertigt. Während in Haus Nummer 3 Bäcker Rüther Lebkuchen in seinen Ofen schob. Nach dem Krieg verwandelten seine Nachkommen die Backstube in eine Metall- und Kunstgießerei. In dieser kreativen Umgebung wuchsen Thaddäus und Jan Schröder auf. Thaddäus übernahm die Bronzegießerei. Jan zog weg, wurde Volkswirt, 1992 freischaffender Künstler und kehrte nach Bendorf zurück. Er verliebte sich in die Keramikerin Uta Minnich, die auf dem Anwesen der Schröders bald eine Werkstatt eröffnete. Als vor etwa zehn Jahren aus ihrer Kollegin Judith Radl und Thaddäus ein Paar wurde, kam noch ein Brennofen dazu. Seitdem wohnen und arbeiten sie als Künstlergemeinschaft im Atelierhof. Das Areal besteht aus mehreren Gebäuden mit Werkstätten und Wohnungen. Mittendrin bietet eine Freifläche Platz für Jan Schröders Kunst, für Beete, Bäume und Begegnungen. Zweimal im Jahr veranstalten sie einen Markt mit befreundeten Künstlern und Kunsthandwerkern. Kulinarisches kommt dabei auch nicht zu kurz. Die Kreativen bringen Farbe nach Bendorf. Das Städtchen zwischen Rhein und Westerwald erfindet sich seit der Schließung der letzten Eisenhütte Ende der 1990er Jahre neu. 
 

PUNKTE FÜR GUTE LAUNE 

Uta Minnich hat ihre Werkstatt von außen in einem warmen Rotton gestrichen. Der gelbe Bambus-Schirm davor ist als freundliche Einladung für einen Zwischenstopp gedacht. Durch die großen Schaufenster des Lädchens der früheren Kunstgießerei kann man ihr bei der Arbeit zuschauen. Scheinbar mühelos verwandelt sie gerade eine faustgroße Tonkugel an der Töpferscheibe mit ihren Händen in eine Tasse. Die Regalwände dahinter sind voller Gebrauchskeramik, die den Alltag verschönert. Etwa die ovale Blumenvase in zartem Lila mit großen cremefarbenen Punkten. Sie anzuschauen, macht Freude, hellt einfach so die Stimmung auf. Das gelingt auch den vielen Krügen, Teekannen, Tassen, Vorratsbehältern, Tellern. Ihre puderigen Farben, die Kitt- und Hafertöne, die glänzenden Oberflächen mit Punkten oder Blumen sind die Handschrift von Uta Minnich.

KERAMIK FÜR URLAUBSGEFÜHLE 

Die roten Clogs, in die sie manchmal in ihrer Werkstatt schlüpft, erinnern sie immer wieder mal an die Zeit in den Niederlanden. Die beiden großen Räume waren früher die Backstube der Schröders. Judith Radl ist dabei, den lederhart getrockneten Rohlingen ihren typischen Charakter zu verleihen. Mit einer Modellierschlinge entfernt sie an den Wandungen von Tassen, Schalen oder Vasen Tonstreifen. Diese Kanneluren bilden die gerippte Oberfläche ihrer Gefäße. An den Rändern ihrer Werkstücke drückt sie mit Stoffstempeln und Zahnrädchen weitere Dekore in den Ton. „Meine Kunden erinnert die Keramik an Urlaub an Südfrankreich oder Italien. Alles würde ein bisschen nach Vintage aussehen, finden sie“, sagt Judith Radl. Vor dem ersten Brand bemalt sie die Rohlinge mit Engoben. Noch ist die Oberfläche matt und offenporig. Erst nach dem zweiten Brand mit Glasur wird das Farbspektrum des Steinzeugs sichtbar und dicht gebrannt. Die Palette aus Meeresfarben reicht von Seladongrün über Smaragd bis Türkis und hellem Sand. An den Kanneluren schimmert der Westerwälder Ton durch, denn die Engobe ist bewusst dünn aufgetragen. Ein kleines Detail, das den Unterschied macht. Gelbliche und rote Tone lassen die Keramiken etwas wärmer wirken als die Stücke mit grauem oder weißem Ton. 

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